06.11.2012:

 

In Fortsetzung meines Textes von Gestern:
 

Natürlich kann man jetzt fragen, warum Herr Boes hungert. Es gibt doch viele Möglichkeiten, dem Hunger auszuweichen. Er könnte Essensgutscheine beantragen oder per Gericht die Sanktionen aufschieben lassen, bis ihre letztendliche Rechtsgültigkeit entschieden ist. Schließlich leben wir hier doch nicht in einer Bananenrepublik und nach Gesetz darf niemand hier verhungern.

 

Das ist - mit Einschränkungen - vielleicht richtig. Und dennoch macht Herr Boes das nicht.
Ich möchte hier die Gründe nennen ...

 

Ich gehe davon aus, dass fast jeder Sanktionierte sich ungerecht behandelt fühlt. Irgendwelche Verquickungen, die der Sachbearbeiter nicht sieht oder die er anders "wertet", lang anhaltende zermürbende Gespräche und Auseinandersetzungen mit ihm haben zur sog. "Pflichtverletzung" des sog. "Kunden" und damit zur Sanktion geführt. Oder der Betroffene hat trotz bester Absichten die von ihm geforderten Leistungen nicht erbringen können, weil ein Leben unter der Bedrohung der Existenzvernichtung, wenn man nicht bedingungslos spurt, ihn einfach überfordert hat.

Auch, dass jemand sich total verweigert, weil er erkrankt ist oder aus verletztem Stolz, ist möglich.
 

Jetzt wird er jedenfalls bestraft - und wird seinen Sachbearbeiter dafür eher fürchten als ihn lieben. Die "vertrauensvolle Zusammenarbeit", die in politischen Kreisen oft beschworen wird, ist bei einer Sanktion zerstört. Gerade von ihm nun Einkaufsgutscheine erbitten zu müssen, die nur auf Gnade hin gewährt werden - und sie in einem Laden einlösen zu sollen, in dem man bei Vorlage des Scheines sofort als Nichtsnutz und sozialer Abschaum, im besten Fall vielleicht nur als bemitleidenswertes Opfer der Gesellschaft betrachtet wird - erfordert entweder eine innere Größe der Selbstverleugnung, die kaum zu überbieten ist, und zu einer Entfremdung ohne Gleichen von der Gesellschaft führt, die einem solches abnötigt - oder eine Unterwerfung, die geradezu hündisch ist.

 

Wenn äußerlich auch das Angebot besteht, dass man Essen erhalten kann - so ist die Hürde dazu doch zu hoch. Auf seelisch geistigem Felde ist die Menschenwürde außer Kraft gesetzt. Aus diesem Grunde werde ich die Gutscheine nicht in Anspruch nehmen.

 

Warum ich nicht den Weg des gerichtlichen Aufschubs der Sanktionen gehe, dass erzähle ich demnächst.