Die Würde des Menschen ist unantastbar ?

Ein Experiment mit der Wahrheit

     
 

Achtung:

Die hier beschriebene Aktion wurde nach 132 Tagen des Hungerns am 10.11.2015 beendet ...
Die Kirchengemeinde der evangelischen Kirche Marzahn Ost hat Ralph Boes ins Kirchenasyl übernommen um selbst ein Zeichen zu setzen gegen das menschenrechtswidrige Hartz-IV-System - und damit auch anzuknüpfen an die vor 25 Jahren niedergelegte "Widerstandstradition" von Teilen der ev. Kirche im Osten.

Zum die Aktion begleitenden Text s.u.:

 
     

Seit über vier Jahren setzt sich der Berliner Erwerbslosenaktivist Ralph Boes gemeinsam mit der Bürgerinitiative bedingungsloses Grundeinkommen e.V. dafür ein, die Kürzungspolitik im Hartz-IV-System abzuschaffen. Seit fast drei Jahren ist er vom Jobcenter durchgehend  zu 100% sanktioniert, was auch den Wegfall der Krankenkasse und Wohnung bedeutet hätte, wären nicht Unterstützer mit Darlehen eingesprungen. Nun liegt die Frage, ob Sanktionen dem Grundgesetz widersprechen, endlich dem Bundesverfas-sungsgericht vor. Mit diesem Teilerfolg sieht Ralph Boes keinen Grund mehr, weitere Darlehen für den Lebensunterhalt anzunehmen und hungert seit dem 1. Juli 2015.

Im Lichte des Grundgesetzes

„Und wollen wir dann ein Banner oder so dahinter machen?“ frage ich. „Nein, kein Banner! Das soll alles ganz still sein und schlicht“ hält Ralph dagegen. „Wir könnten aber einen großen Kreis um die Stelle malen“, ergänzt Maurice und plötzlich ist er mal wieder da, dieser magische Moment in der Bürgerinitiative, wo jeder spürt, jetzt haben wir das gefunden, was wir gesucht haben!

 

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Aus der Aktion:

Webseite zur Aktion

Flyer zur Aktion

Bilder vom 28.07.15

Bilder vom 10.08.15

Film aus der Aktion

Interview mit RT-deutsch

Interview mit Netzwerk Grundeinkommen

Interview mit Rock-Radio Berlin

 

 

 

Ralph will zum Sanktionshungern in der Öffentlichkeit sein. Vor dem Adlon, im Sinne einer Kunstaktion, einfach an einem schlichten Tisch sitzen mit zwei Stühlen. Eine Wasserkaraffe darauf und die Bereitschaft zum Gespräch. Drumherum ein weißer Kreis, der anzeigt: hier ist ein eigener Raum. Ein Raum der Stille, wie im Auge des Orkans. Ein Ruhepunkt, indem das Licht des Grundgesetzes neu erstehen kann.

Die Verfassungsklage

Tatsächlich geht es eigentlich nicht um Ralph Boes. Dieser hat zwar in den letzten Jahren einige Aufmerksamkeit auf sich gezogen und nicht nur das Jobcenter  durch sein Querdenken provoziert,  doch es geht um die Einhaltung bzw. Wiederbeachtung der Grundrechte innerhalb des Sozialgesetzes. Das war von Anfang an das Anliegen von Ralph Boes, als er im Sommer 2011 seinen öffentlichen Brandbrief verfasste und seinen Widerstand ankündigte. Ganz bewusst hat er Jobangebote verweigert, um Sanktionen zu erhalten, die innerhalb der Hartz-IV-Gesetzgebung rechtmäßig sind. Die darauf folgenden Klagen sollten nicht die Sanktionen auflösen, sondern die Grundsatzfrage zum Bundesverfassungsgericht führen. Damit hat Ralph Boes einen Sonderfall geschaffen, den sich normalerweise niemand erlauben kann. Denn seit 3 Jahren ist Boes nahezu lückenlos zu 100% sanktioniert, was ebenfalls den Entzug der Krankenkasse und Mietzahlungen betrifft. Dies konnte nur durch die Solidarität von außen ermöglicht werden.  Außerdem gingen Spenden ein, um ein juristisches Gutachten zur Verfassungswidrigkeit der Sanktionspraxis zu erstellen, welches im August 2013 schließlich zur freien Verwendung ins Netz gestellt werden konnte.
Und dann passierte es: das Sozialgericht in Gotha gab im Mai 2015 einem Kläger aus Erfurt Recht, der das Gutachten in seiner Klage verwendet hatte und reichte die Frage ans Bundesverfassungsgericht weiter.  Endlich.

Das Ende der Aktion?

Der Fall in Gotha brachte eine Wende innerhalb der Aktion von Ralph Boes. Er schrieb in einem erneuten Brandbrief an seine Freunde: „die Richtervorlage gegen die Sanktionen in Hartz IV ist jetzt im Bundesverfassungsgericht angekommen. (…) Ich habe deshalb beschlossen, die Aktion nach Maßgabe der in ihr selbst liegenden Gesetze zu Ende zu führen. (…) D.h., ich werde jetzt "empfindlich" werden und ab sofort die Sanktionen so nehmen, wie sie jeden von uns treffen. Da ich aber weiter unbeugsam sein werde, weil meine Aufgabe ja bei weitem nicht erledigt ist und nichts weniger erlaubt ist, als der Kompromiss mit der Lüge und der Unwahrhaftigkeit, kann man sich vorstellen, was das heißt: So, wie das System veranlagt ist, werde ich bald zu Tode kommen.“

Es war Gandhi, der seinen gewaltfreien Widerstand als Experiment mit der Wahrheit bezeichnete. Im gleichen Geiste möchte Ralph Boes die Politik und Gesellschaft mit dem konfrontieren, was täglich tausendfach im Verborgenen geschieht: Menschen werden durch die Sanktionen aus der Gesellschaft ausgeschlossen und ihrem Schicksal überlassen. Denn nur, wer sich den oft unsinnigen Auflagen der Jobcenter fügt und auch bedingungslos dem Niedriglohnsektor zur Verfügung steht, erhält Sozialleistungen.
Darf das Lebensrecht eines Menschen davon abhängen, ob er sich „systemkonform“ verhält? Inwiefern ist der Staat selbst „systemkonform“ im Sinne des Grundgesetzes und schützt die menschliche Würde, wenn er das Existenzminimum entzieht?
 
Wie stark das Licht des Grundgesetzes ist, wird dieses "Experiment" nun zeigen.

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Text von: Diana Aman
Diana Aman ist Philosophin/Doktorandin, Moderatorin und seit 6 Jahren Vorstand der Bürgerinitiative bedingungsloses Grundeinkommen e.V. 
  
Weitere Infos auf:
ralph-boes.de