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Sozialgericht Berlin - 102. Kammer - Invalidenstraße 52 10557 Berlin
Az.: S 102 AS 26149/13 Stellungnahme zu Ihrem Brief vom 22.06.2016
Sehr geehrter Herr Dr. A.... –
jetzt, nachdem das Bundesverfassungsgericht im Falle der Gothaer Richtervorlage so sehr auch die Prüfung der Klage-voraussetzungen zur Pflicht erhoben hat, muss ich natürlich passen. Anstatt die wirkliche und einzig bedeutende Frage: die Frage der Verfassungswidrigkeit der Sanktionsregeln, in den Fokus zu nehmen, werden wir jetzt gezwungen, unsere Kräfte auf Nebengleisen zu verschwenden.
Wobei erschwerend hinzukommt, dass all die handwerklichen Fehler, die den Zugang zum Bundesverfassungsgericht mit Hürden versehen, vom Jobcenter produziert werden, von genau derjenigen Instanz also, deren Handlungsgrundsätze durch meine Klage in Frage gestellt sind. Man gibt dem Beklagten somit selbst die Mittel in die Hand, den Weg zum Verfassungsgericht zu verminen. [1]
Ein schöne Welt, in der wir da leben … Rechtsstaat und Verfassung gehen unter, weil sie bei den Richtern die Verteidiger nicht finden.
Doch jetzt zu uns.
Sie wollen
die Klage auflösen, weil das
Schriftbild der Rechtsfolgenbelehrung unpassend war und damit den
strengen Anforderungen an Verständlichkeit usw. nicht genügt.
In seiner "Anhörung zum möglichen Eintritt einer Sanktion" vom 05.07.2013 nimmt das Jobcenter genau auf die von Ihnen kritisierte Rechtsfolgenbelehrung Bezug und schreibt:
(S. hier >>)
Und ich habe darauf am 16.07.2013 geantwortet:
"Sehr geehrte Frau L… (…) Es ist allerdings noch wesentlich schlimmer als Sie denken: Ich habe das Zustandekommen dieser Tätigkeit nicht trotz der schriftlichen Belehrung sondern geradezu wegen ihr verhindert – weil es sich aus meiner Sicht bei der 'Belehrung' um nichts weniger als um Nötigung und Erpressung handelt." (S. hier >>)
D.h., wenn die von Ihnen vorgeschlagene Strategie im Allgemeinen auch mehr als berechtigt ist [2], wird sie in meinem besonderen Fall von Seiten des Jobcenters vielleicht doch zu erschüttern sein. Wenigstens kann nicht behauptet werden, dass ich die Rechtfolgenbelehrung nicht gelesen und nicht verstanden hätte. So dass Sie sich auch für diesen Fall noch rüsten müssten. (Vielleicht hilft hier aber auch Anmerkung [3] ?)
Sehr geehrter Herr Dr. A.....,
natürlich bin ich gespannt, wie die Sache ausgeht und fiebere mit vielen Anderen – vielleicht sogar mit Ihnen? – wie bei einem großen Fußballspiel dem großen Finale entgegen. :-)
Ich möchte aber doch betonen, dass es mir NICHT ums Geld geht, sondern darum, das Sozialsystem wieder an die Menschenrechte und an die Verfassung anzubinden.
Indem in meinem Fall das Geld-Motiv nach vorne gezogen, mein Interesse auf "niedere Beweggründe" abgelenkt [4] und auf formalistischer Ebene befriedigt werden soll, wird das wahre Thema nur verdeckt. Ein schönes Pflaster wird auf einen Tumor geklebt. Der Tumor wächst aber unaufhörlich weiter …
"Auf hoher See und vor dem Richter ist man in Gottes Hand." Das ist ein schöner alter Spruch, der sicher stimmt. Ich bin gern in Gottes Hand. Hoffentlich weiß Gott was rechtes damit anzufangen … :-)
Mit freundlichem Gruß,
Ralph Boes
[1] Angemessen wäre: da die Handlungsgrundsätze des Jobcenters in meiner Klage in Frage stehen, seinen Fehlhandlungen an der Oberfläche erst in zweiter Linie Bedeutung zuzumessen. [2] Ich weiß durchaus anzuerkennen, welche große Hilfe für die weitaus allermeisten Hartz-IV-Empfänger von solch einer Entscheidung ausgehen würde … [3] Angemerkt sei, dass es auch in sachlicher Hinsicht noch einen Fehler in der von Ihnen kritisierten Rechtsfol-genbelehrung gibt. Geschrieben ist: "Ihr Arbeitslosengeld II war zuletzt aufgrund eines weiteren wiederholten Pflichtverstoßes vollständig entfallen (vgl. Bescheid vom 22.03.2013)." Entgegen der Behauptung handelt es sich bei dem Bescheid vom 22.03.2013 nicht um den vollständigen Wegfall des Arbeitslosengeldes II sondern "nur" um eine 60-Prozent-Sanktion … [4] Bei NIEMANDEM außer mir selbst würde ich übrigens hier so sprechen …
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