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Ralph Boes

Berlin, den 12.05.2016


Spanheimstr. 11,
13357 Berlin

 

 

 

Sozialgericht Berlin

108. Kammer

Invalidenstraße 52

10557 Berlin

 

 

 

Betr: AZ S 158 AS 26479/15
        Ihr Schreiben vom 19.04.2016

 

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren –

 

 

zunächst möchte ich mich entschuldigen, dass ich so lange geschwiegen habe. Die Verzögerung der Antwort hängt mit dem Hungern zusammen.

 

Die letzte Hungerphase hat 132 Tage gedauert (vom 1. Juli bis 10. November 2015) und ich hatte, da ich mit der Frage meines Überlebens gänzlich abgeschlossen hatte, mich sehr weit aus dem Leben heraus gelöst.

 

Da wieder herein zu kommen war nicht einfach. Mein Leib hat zwar schnell das Essen wieder angenommen, bis es mir aber gelang, mit den Dingen hier unten wieder umzugehen, das hat gedauert.

 

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Nun zu meiner Stellungnahme -

ich folge dabei dem Schreiben des Jobcenters vom 04.02.2016:

 

Zum Thema der Gültigkeit der Sanktionen – im Rahmen der Hartz-IV-Gesetze! - habe ich im allgemeinen keine Einwände. Ich HOFFE, dass sie gültig sind, wie das in den ersten Absätzen des Briefes vom Jobcenter behauptet wird – weil ich mit ihnen nach Karlsruhe möchte.

 

Seitdem ich allerdings bekannt gegeben habe, dass die Sanktionen bei mir nicht zum vorgegebenen Ziel (Eingliederung in den Arbeitsmarkt), sondern zum Tod führen, könnte es sein, dass sie auch im Rahmen der Hartz-IV-Gesetze in Frage zu stellen sind.

 

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Die Behauptung, dass Hartz IV den Menschenrechten und der Verfassung entspricht, halte ich für falsch.

 

Derartiges kann nur behaupten, wer einen SEHR SPEZIELLEN Blickwinkel einnimmt und sich auch nicht einen Millimeter davon fortbewegt.

 

Bekanntlich ist von der Sonne aus besehen die Erde immer ohne Schatten. Selbst die Nachtseite der Erde ist von der Sonne aus nie zu sehen. Wollte jemand der Sonne von Nacht und Schatten auf der Erde erzählen, würde sie sagen: "Die Erde dreht sich unablässig vor mir. Innerhalb von 24 Stunden sehe ich jeden ihrer Winkel. Nacht und Schatten kann ich an ihr nicht finden."

 

Man müsste ihr einen Spiegel hinhalten, der ihr die Erde von der Seite oder gar von der Rückseite zeigt, um sie von ihrem Urteil zu kurieren.  

 

Desgleichen bei Hartz IV: Hartz IV ist bewusst so gemacht, dass vom Standpunkt einer sehr formalistischen Juristerei der Eindruck der Verfassungsmäßigkeit der Regeln entsteht. Vom jedem anderen Standpunkt sind jedoch gewaltigste Schatten und Abgründe im System zu konstatieren. (Weswegen z.B. auch die gesamte Gesellschaft an diesem Gesetz gespalten ist.)

 

Wenn z.B. in AZ S 147 AS /13 ER der Satz geschrieben ist :

 

"Die Verfassungsmäßigkeit des geltenden Sanktionsrechts ergibt sich schließlich auch daraus, dass der Gesetzgeber selbst bei einem vollständigen Wegfall der Leistungen eine 'letzte Grundversorgung' sicherstellt. Durch ein differenziertes Regelungssystem wahrt der Gesetzgeber das Existenzminimum des Betroffenen …"
usw. usf.

 

dann wird aus formal-juristischer Sicht versucht, den Anschein zu erwecken, als wäre die Würde des Menschen geachtet und geschützt.

Aus menschlicher Sicht ist ein solcher Satz aber eine Blendung:

 

- Erstens besteht das "differenzierte Regelungssystem" aus lauter Kann-Regelungen und stellt deswegen nichts weniger als eine Grundversorgung "sicher",

- zweitens ist auch nicht sicher, dass der Betroffene Fähigkeit, Möglichkeit oder auch einfach nur das Wissen hat, die entsprechenden Anträge zu stellen,

- drittens müssen die Anträge beim Sanktionär gestellt werden, was die Wahrscheinlich-keit, dass sie überhaupt gestellt werden, sehr vermindert,

- viertens werden die Hilfen meist nur gegeben, wenn man sich trotz bestehender – und unter Umständen berechtigter – Widerstände dem System unterwirft.

 

Was soll da "Sicherstellung einer Grundversorgung" heißen ???

 

Ein Beispiel dafür gibt z.B. der Text:

 

"Ferner kann der vollständige Wegfall der Leistungen in eine nur noch 60-prozen-tige Minderung abgemildert werden, wenn sich der Leistungsberechtigte (…) nachträglich bereit erklärt, seinen Pflichten nachzukommen."

(S. AZ S 147 AS /13 ER)

 

Es geht vorrangig nicht um den Schutz der Menschenwürde, sondern vorrangig unter die Unterwerfung unter ein vorgegebenes System. Erst NACH der Unterwerfung kann "geholfen" werden! Womit der eigentliche Wille des Grundgesetzes, den Schutz der Würde an die erste Stelle zu stellen und das System entsprechend dieses Grundsatzes auszubilden, vollständig unterlaufen ist.

 

Selbst am Rande des Grabes werden zum "helfen" noch Bedingungen gesetzt, die die Würde des Mensch in Frage stellen, s. meine Einlassung zu Wesen und Bestimmung der Lebensmittelgutscheine in meiner Schrift

Würde oder Leben

in der Anlage 14 der Klage.

 

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Dies aber nur im Vorfeld!

 

In meiner Klage habe ich in Teil A dargelegt, inwiefern das dem gesamten Hartz-IV-System unterlegte Denken der Würde des Menschen und dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit widerspricht.

 

In Teil B sind die diesem Denken entsprechenden Sanktionsregeln aus verfassungs-rechtlicher Sicht kritisiert.

 

In Teil C ist die historische Entwicklung, durch die ein ehemals sinnvolles Hilfssystem zu einem Zwangssystem mutiert ist, skizziert.

 

Diese 3 Teile sind die für mich wichtigen Argumente meiner Klage. Alle zeigen die nicht beachteten Schattenseiten des Systems. Meine Klage sucht nicht eine Lösung innerhalb des Hartz-IV-Systems sondern wirft eine Grundsatzfrage der Verfassungsmäßigkeit des Hartz IV-Systems auf.

 

Bei allen Einlassungen des Jobcenters ist zu bedenken, dass es als Repräsentant und Profiteuer der derzeitigen Regeln selbstverständlich deren Richtigkeit betont, dass seine Einlassungen in UNSEREM Verfahren aber kaum von Bedeutung sind, weil es nur formal-juristisch aber nicht wirklich der Beklagte ist.

 

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Interessant ist allerdings die vom Jobcenter beigetragene Einschätzung der Lage, die die 43.ste Kammer vorgelegt hat.

 

Ich habe ja das Jobcenter immer wieder deutlich darauf hingewiesen, dass die Sank-tionen bei mir nicht zum vom Gesetzgeber vorgesehenen Ziel führen können, dass die in meinem Fall deshalb falsch angewendet sind.

 

Die 43.ste Kammer urteilt dem gegenüber (und das Jobcenter schließt sich diesem Urteil an):

 

"Allein der Umstand dass sich der Antragsteller hartnäckig weigert, seinen Pflichten nachzukommen, um Sanktionen geradezu zu erzwingen, um sich dann politisch Gehör zu verschaffen und ggf. Druck aufzubauen, führt nicht zu der Annahme, dass eine Aktivierung des Antragstellers nicht erreicht werden kann.

[...]

Einen wichtigen Grund für die Weigerung hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Ein solcher liegt insbesondere nicht im Kampf gegen das System an sich, da man einen solchen auch "von außen" heraus (ohne permanente Pflichtverletzung) mit sachlichen Mitteln führen kann. Insbesondere ist nach dem Vorlagebeschluss des SG Gotha das Erzwingen von Sanktionen, um die Prüfung der vom Antragsteller angenommenen Verfassungswidrigkeit der Sanktionsregelungen durch das Bundesverfassungsgericht zu erreichen, nicht mehr notwendig."

 

Dieses Urteil ist so sehr ohne Grund und Boden, dass ich nur die Tatsachen dagegen setzen möchte:

 

Zunächst beziehe ich mich auf meinem Brief vom 01.04.2015 ans Jobcenter. Nachdem ich mich dort beschwert habe, dass die wirklichen Gründe meines Handelns in den Argumentationen des Jobcenters einfach ausgelöscht werden, habe ich geschrieben:

 

Sehr geehrte Frau Xxxxxx,

hinter jedem, auch dem amtlichen, Handeln steht – auf beiden Seiten – der Mensch.
Es gibt keine Möglichkeit, sich auf längere Sicht der Verantwortung für sein Tun zu entziehen.

 

Ich, auf meiner Seite, habe ich mich entschieden, mich voll und ganz – d.h. mit meiner gesamten Existenz – für den Schutz der Menschenwürde und den Bestand des Grundgesetzes und die in ihm

s. Artikel 20 GG, Satz 3 und Artikel 1 GG, Satz 1-3

geforderte Anbindung und Unterordnung des Staates (aber auch der Wirtschaft und des Geldsystems!) unter die Menschenrechte einzusetzen.

Es liegt bei Ihnen zu entscheiden, welche Rolle in der Welt SIE einzunehmen gedenken.

Indem sie alles auslöschen, was ich zu sagen habe, und was ich im Sinne einer Korrektur eines Gesetzes und seiner Wideranbindung an das Grundgesetz unternehme,

töten Sie einen Menschen.

 

Seit diesem Zeitpunkt war – für mich wenigsten – schon klar, dass ich den Weg, die Sanktionen zu nehmen, wie sie sind, auch wenn sie zum Tode führen, zu Ende gehen würde, und dass damit das Ziel der Sanktionen, mich auf diejenige Weise, in der der das heute getan wird, in einen sog. "Arbeitsmarkt" zu integrieren, nicht erreicht werden kann.

 

Seit diesem Zeitpunkt habe ich auch in allen Briefen ans Jobcenter immer wieder auf dieses Faktum hingewiesen und später dann mit dem Schikaneverbot [1]  argumentiert.

 

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Der Grund für meine Entscheidung ist sachlich so einfach, wie er menschlich vielleicht schwer erträglich ist:

 

Hartz IV ist ein Zwangssystem und zieht seine ganze Kraft aus der Todesangst der Menschen. Wer nicht bedingungslos erfüllt, was vom System gefordert wird, wird mit dem Entzug der Lebensgrundlagen bedroht.

 

Das bringt mit sich, dass, wer überleben will,

auf jeden Fall erpressbar oder verführbar ist.  

 

Hartz IV setzt ganz auf diesen Mechanismus.

Um diesem System begegnen und ihm etwas entgegensetzen zu können, habe ich mit meinem Leben abgeschlossen. Denn das allein gibt die Garantie, unerpressbar und unverführbar zu sein.

 

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Mit meinem Leben "abzuschließen" sah bei mir folgendermaßen aus:


Zuerst habe ich meinen Weg – auch unter Einbeziehung der Möglichkeit meines Todes – mit meiner Familie und mit meinen Freunden besprochen und geklärt. Die Sache war für niemanden einfach, aber man hat die Sinnhaftigkeit des Ganzen eingesehen und zugestimmt.

Dann habe ich das Jobcenter über meine nächsten Schritte informiert

s. z.B.

- meinen Brief vom 01.04.2015 zur siebten 100-Prozent-Sanktion,
Anlage 1 zur hier vorgelegten Stellungnahme

- oder meinen Brief vom 20.04.2015 zur achten 100-Prozent-Sanktion,
Anlage 2 zur hier vorgelegten Stellungnahme

und einen sog. Zweiten Brandbrief an die Öffentlichkeit geschrieben,

s. Zweiter Brandbrief, 17. Juni,
Anlage 3 zur hier vorgelegten Stellungnahme

in dem die Motive meines Sanktionshungerns umfassend dargestellt sind.

 

Da die Logik des ganzen Geschehens eindringlich in diesem "Zweiten Brand-brief" entwickelt ist (S. Anlage 3), möchte ich hier nachdrücklich auf ihn verweisen.

 

Weiter haben wir die Möglichkeit meines Todes aufs Gründlichste mit einem Bestatter abgesprochen und einen Baum als Ruheplatz für mich in einem Friedwald reserviert.

s. Urkunde und Rechung,

Anlage 4 zur hier vorgelegten Stellungnahme

 

Viertens haben wir in der Hungerzeit unter der Überschrift:

Die Würde des Menschen ist unantastbar? – Ein Experiment mit der Wahrheit

eine fortlaufende Aktion auf dem Pariser Platz gemacht.

- Bilder der Aktion sind unter http://goo.gl/SvsMjU zu sehen.

- Einen Flyer zur Aktion habe ich hier beigelegt, s.
  Anlage 5
zur hier vorgelegten Stellungnahme

 

Zuletzt habe ich auch deutliche Stellung zum Ansinnen des Jobcenters, bei ihm Lebens-mittelmarken zu erbitten, bezogen

s. "Würde ODER Leben – Zu Wesen und Bestimmung der Lebensmittelgutscheine" 
Anlage 14 der ursprünglich eingereichten Klage

und die Lebensmittelgutscheine dann auch nicht eingelöst.

 

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Bei der ganzen Aktion war von meiner Seite kein Exit vorgesehen.

Ich habe alle Angebote abgelehnt, Spenden oder Essenspenden anzunehmen und strikt darauf bestanden, dass es die Aufgabe der Behörde sei, zu ihrem Verhalten, ihr überaus zweifelhaftes Kapital aus der Bedrohung der Betroffenen mit ihrer Existenzvernichtung zu ziehen, offen Stellung zu nehmen und es in meinem Falle – wegen Unerreichbarkeit des Zieles – abzustellen.

 

Sie hat das natürlich nicht getan.

 

Dass ich dennoch überlebt habe und das Hungern nach 132 Tagen beendet werden konnte, hängt mit dem Angebot der ev. Kirchengemeinde Berlin Marzahn-Nord zusammen, mir ein Kirchenasyl zu gewähren.

 

Zu diesem Angebot kam es, weil ein Kreis hervorragender Bürgerrechtler und Menschenrechtsaktivisten der evangelischen Kirche der ehemaligen DDR sich in der Kirche für mich eingesetzt hatte.


Die Pfarrerin der Gemeinde betonte gleich im ersten Gespräch, dass es den Beteiligten nicht so sehr um mein Überleben ging, als vielmehr – im Sinne der von dieser Kirche vor 25 Jahren niedergelegten Tradition – um ihren Wiedereinstieg in den Widerstand gegen ein, auch von ihnen als menschenrechtswidrig empfundenes System.

 

Vor diesem Hintergrund war mir die Annahme des Kirchenasyls und der Ausstieg aus dem Hungern vorerst möglich, zumal ich davon ausgehen darf, dass unser Bündnis noch sehr viel weiter trägt.

 

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Hohes Gericht –

sehr geehrte Damen und Herren,

 

ich habe das so umfänglich dargestellt, um dem Eindruck entgegen zu wirken, dass es mir nicht wirklich ernst sei und vielleicht doch noch Hoffnung besteht, mich durch Sanktionen in gewünschter Weise "aktivieren" zu können, wie das die 43.ste Kammer in Aussicht stellt.

 

Der Grund meiner "Weigerungen", die in Wahrheit nicht Weigerungen sondern erhöhte Aktivitäten sind, liegt in der Außerkraftsetzung der Würde und des Selbst-bestimmungsrechtes des Menschen durch ein System, welches auf der einen Seite die Technisierung und Rationalisierung der Industrie und aller Arbeitsabläufe massiv fördert, auf der anderen Seite die dadurch freigestellten Menschen aber in unwürdige Zwangsverhältnisse – seien diese Hartz IV, sinnlose Fortbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen, Niedriglohn, Zeitarbeit, Leiharbeit usw. – treibt.

 

Natürlich richtet sich mein Widerstand gegen die Sanktionen, man sehe Teil B der vorgelegten Klage.

Im Kern und vom Ursprung her richtet er sich aber gegen die unmittelbar schädliche und diskriminierende Auswirkung eines Arbeitsbegriffes, der nicht genügend reflektiert und mit der Entwicklung der Zeit nicht mitgegangen ist:

 

Schon in der Selbstversorgungsgesellschaft der Vergangenheit hatte Arbeit nichts mit "Geldverdienen" zu tun. Der Selbstversorger zieht seine Kartoffeln oder jagt seinen Hasen und sorgt direkt für die Befriedigung seiner Bedürfnisse.

 

Die Notwendigkeit des Geldverdienens tritt erst in der Fremdversorgungsgesellschaft auf, in einer Gesellschaft, in der man nicht mehr "für sich selbst", sondern für andere arbeitet:  

 

Ein Maschinenbauer baut für den Eierproduzenten eine Eiersortieranlage. Die Bedürfnisse des Eierproduzenten sind damit befriedigt – aber nicht die Bedürfnisse des Maschinenbauers. Jedenfalls dann nicht, wenn der Eierproduzent ihn jetzt mit zweihunderttausend Eiern bezahlen wollte, mit denen der Maschinenbauer nichts anzufangen weiß.

 

In der Fremdversorgungsgesellschaft ist der Leistende davon abhängig, Geld vom Kunden zu erhalten, damit er sich seine Bedürfnisse selbst befriedigen kann.

In der Fremdversorgungsgesellschaft ist es aber auch unmöglich, sich um sein Einkommen selbst zu kümmern, wie das politisch heute gefordert ist.

 

Sich selbst um sein Einkommen zu kümmern heißt in einer Fremdversorgungsgesellschaft, anderen dienstbar zu sein. Nur, wenn ich anderen leiste, was sie brauchen, geben sie mir das Geld, welches ich benötige, um meine Bedürfnisse befriedigen zu können.

 

Wenn in einer solchen Welt aber immer mehr Maschinen die Arbeit verrichten und die äußere Arbeit immer mehr an Bedeutung verliert (demnächst z.B. fahren die Autos automatisch; es gibt dann keine Taxi-, LKW- oder Busfahrer mehr) ist das System nicht zu halten. Die Menschen werden dann nicht mehr "gebraucht".

 

Sich selbst um sein Einkommen kümmern zu sollen, heißt dann, sich zu allen Bedingungen bei Anderen zu allen Arbeiten anzubieten und sich freiwillig in Ausbeuterei und Sklaverei begeben zu sollen – wobei trotzdem, wie im Kinderspiel "Reise nach Jerusalem", immer mehr Menschen aus dem System herausfallen müssen.

 

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Genau das ist in Hartz IV der Fall.

 

Damit die Rationalisierung nicht in soziale Katastrophen führt – und durch Hartz IV führt sie in soziale Katastrophen – muss der Arbeitsbegriff geändert werden.

Es muss gezeigt werden, dass die Arbeit auch eine "innere", vom Geldverdienen losgelöste Seite hat. Und während uns Maschinen die äußere Seite der Arbeit abnehmen, haben wir die Aufgabe, diese innere Seite der Arbeit, ihren Sinn in der Welt, ihren Inhalt zu ergreifen.

 

 

Hohes Gericht,

sehr geehrte Damen und Herren –

 

vor diesem Hintergrund bitte ich Sie eindringlich, Teil A der Klage ernst zu nehmen.
Er beginnt die Auseinandersetzung mit dem Satz

"Arbeit ist mehr als Geld verdienen"

und umreißt die Konsequenzen dieses Satzes für den Arbeitsbegriff, für die Wohlfahrt der Gesellschaft, für die Würde des Menschen und für sein Recht auf Selbstbestimmung und auf freie Entfaltung der Persönlichkeit.

 

Zusätzlich zeigt er, dass  

"Menschen, die die wirklichen Erfordernisse der Welt erleben und ihnen entsprechen möchten, deren Arbeit sich nicht aufs Geldverdienen, sondern direkt auf den Inhalt der Arbeit selbst bezieht, (…) durch den Arbeitsbegriff des Jobcenters und durch die an diesen Arbeitsbegriff geknüpften sog. "Förderungen" und Sanktionen  diskriminiert"  

werden. (A.a.O.)

 

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Hohes Gericht,

sehr geehrte Damen und Herren –

 

wenn Sie einen solchen Menschen suchen … Ich bin davon einer.

Und ich werde durch die gegenwärtigen Verhältnisse – durch ein Gesetz, welches mit den gewandelten Arbeitsbedingungen noch nicht zurecht kommt und durch eine Behörde, die sich weigert, auf meine Gründe einzugehen und mich jetzt schon zum 10. Mal in Folge für 100 Prozent sanktioniert, diskriminiert.

 

Was Sie als Widerstand gegen sich / das System / Hartz IV erleben mögen ist nur meine Form der Gegenwehr!

 

Wenn das Anliegen meiner Klage zunächst vielleicht auch abwegig, politisch oder theoretisch erscheint und immer gesagt wird, dass ich "wichtige Gründe" für mein Verhalten nicht vorbrächte, so ist es doch so, dass, was ich sage, den wesentlichsten Teil meines Innenlebens und meiner Persönlichkeit ausmacht und alles als absolut existentiell empfunden wird.

 

Behörden und Gerichte wollen davon nichts wissen, weil, was ich zu sagen habe, außerhalb der ihnen vom Gesetzgeber vorgegebenen Schranken liegt. Aber die Dinge sind wichtig – überlebenswichtig für unsere Gesellschaft und überlebenswichtig für uns Menschen – und werden in Wissenschaft, Literatur, Politik und Presse schon längst auf allen Ebenen diskutiert.

 

An der Wichtigkeit, die ich der Sache beimesse und die sie für mich hat, kann es angesichts meines Verhaltens keinen Zweifel geben. Genauso kann es – nach Kaskaden von Sanktionen und der Art meines Umganges damit – keinen Zweifel daran geben, dass ich, so lange ich ihn für berechtigt halte, nicht von meinen Weg ablasse, wie immer auch die Konsequenzen aussehen werden.

 

Die Frage ist nur, ob die Sache in Karlsruhe landet!

Und da möchte ich abschließend darauf hinweisen, dass sie mit derjenigen aus Gotha KEINESWEGS identisch ist.

 

Durch die Gothaer Klage wird nur Teil B der hier vorgelegten Klage angegangen.
Teil A ist dort kein Thema.

Es handelt sich dort auch nicht um eine 100-Prozent-Sanktion,

und erst recht nicht um die zehnte 100-Prozent-Sanktion in Folge.

Außerdem sind die Voraussetzungen beim Kläger ganz andere als bei mir.

  

 

 

Mit der Zusage jeder erdenklichen Hilfestellung, wenn Sie die Vorlage in Karlsruhe erwägen,

- es müsste ja nur noch Teil A der Klage bearbeitet werden …
eine vollgültige Bearbeitung von
Teil B durch das Sozialgericht Gotha liegt unter

AZ 1 BvL 7/15, s: http://goo.gl/l7EOg2

ja bereits vor -

mit freundlichem Gruß,

 

  Ralph Boes

 

 

 

 

 

 

___________

 

P.s.:

 

Am Ende des Schreibens des Jobcenters vom 04.02.2016 ist geschrieben:
 

Hinsichtlich der eingereichten Klagebegründung vom 12.01.2016 wird mitgeteilt, dass diese

bereits mehrfach in diversen Verfahren zur Kenntnis genommen wurde. Es wird jedoch darauf

hingewiesen, dass die Beantragung der Aussetzung des Verfahrens zur Vorlage der

unter Nummer 2 B formulierten Frage beim BVerfG für sich allein kein statthafter Antrag im

Sinne einer Anfechtungsklage ist. Es wird daher um entsprechende Konkretisierung des Klageantrages gebeten.

 

Ich muss gestehen, dass ich nicht weiß, was das bedeuten soll. Wenn der Punkt von Bedeutung ist und nicht durch mein Schreiben schon geklärt ist, bitte ich, ihn mir genauer zu erklären, dass ich darauf noch eingehen kann.


 


[1] Freunde haben mich inzwischen darauf hingewiesen, dass das von mir angeführte Schikaneverbot in SGB II nicht gilt – dass das Problem (Unerreichbarkeit eines gesetzlich vorgegebenen Zieles), wenn auch anders hergeleitet, aber trotzdem auch in "unserem" Prozess Beachtung finden müsse.